Diese Seite stellt kurz grundlegende Konzepte vor, die zum Verständnis von Ferromagnetismus, Hysterese, Flussdichte und Feldstärke, magnetischen Anziehungskräften und schließlich zum Hauptthema Entmagnetisierung benötigt werden.
Magnetismus von ferromagnetischen Werkstoffen
Ein magnetisiertes, ferromagnetisches Material ist durch eine hohe Anzahl von magnetischen Domänen gekennzeichnet, die in die gleiche Richtung orientiert sind bzw. sich zu grösseren magnetischen Domänen zusammengeschlossen haben. Dadurch summiert sich der magnetische Fluss der einzelnen Domänen zu einem grösseren Gesamtfluss auf, der auch ausserhalb des ferromagnetischen Materials als Restmagnetismus bzw. magnetisches Streufeld in Erscheinung tritt. Magnetfeld ist eine vektorielle Grösse, gekennzeichnet durch einen Betrag (Feldstärke H) und eine Richtung. Per Definition fliessen die Magnetfeldlinien vom magnetischen Nordpol (N) zum magnetischen Südpol (S).
Ein entmagnetisiertes Material kann aber jederzeit wieder magnetisiert werden, indem es:
- einem Magnetfeld genügend hoher Intensität ausgesetzt wird
- in der kristallinen Struktur z.B. durch Umformung verändert wird
- von stärkeren elektrischen Strömen durchflossen wird
Magnetismus in ferromagnetischen Metallen kann streng genommen physikalisch nicht beseitigt werden. Mit einem entmagnetisierten Zustand ist gemeint, dass die grösseren, gleichgerichteten Domänen wieder in kleinere Domänen mit unterschiedlicher Magnetisierungsrichtung unterteilt worden sind, und sich dadurch keine wesentliche Magnetisierung mehr ergibt.
Magnetische Hysteresekurve
Die magnetischen Eigenschaften eines ferromagnetischen Werkstoffes werden durch charakteristische Punkte in der magnetischen Hysteresekurve beschrieben:
Bei der erstmaligen Magnetisierung durchläuft das Material die sogenannte Neukurve vom Ursprung bis zum Sättigungspunkt.
Bsat ist die Sättigungsflussdichte. In diesem Punkt sind alle magnetischen Domänen des Materials voll ausgerichtet aufgrund des äusseren Feldes Hsat.
Br ist die Remanenz des Materials. Nach Entfernung des Feldes Hsat läuft die Flussdichte auf der oberen Kurve vom Punkt (Hsat / Bsat) zum Punkt (H=0 / Br). Die Remanenz definiert den im Material verbleibenden Restmagnetismus nach einer Sättigungsmagnetisierung.
Hc ist die Koerzitivfeldstärke des Materials. Hc definiert wie viel Feldstärke benötigt wird, um das vollständig gesättigte Material zu entmagnetisieren. Die zur Entmagnetisierung benötigte Feldstärke muss der Magnetisierungsfeldstärke Hsat entgegengepolt sein, also –Hc.
Die Entmagnetisierung von Metallen oder Magneten mit Gegenfeld Hc funktioniert nur an einer Materialprobe einfacher, symmetrischer Geometrie, die zuvor gerichtet magnetisiert wurde. Ferromagnetische Bauteile mit unregelmässiger Geometrie bzw. Werkstoffen unterschiedlicher magnetischer Eigenschaften (z.B. durch Härteprozesse), müssen zur Entmagnetisierung den Hysteresezyklus bei zunehmend geringer werdender Feldstärke H mehrfach durchlaufen. (Mehr Informationen weiter unten).
Feldstärke H und Flussdichte B
Der Feldstärkevektor H beschreibt die von „freien Strömen“ erzeugte magnetische Feldstärke ohne Einfluss der Magnetisierung M von Materie. Mit freien Strömen sind entweder elektrische Ströme in einem Leiter oder magnetische Dipolmomente auf atomarer Ebene gemeint. Beiden Quellen ist eine bewegte Ladung gemeinsam, die Elektronen.
Bei einem geraden Leiter ist die magnetische Feldstärke im Abstand r [m] um den Leiter wie folgt definiert:
H = I / 2πr (G1)
Die Einheit ist: [H] = [A/m] Ampère/Meter
Mit der Magnetisierung M von Materie ist das vorliegende Magnetfeld H als Flussdichte B definiert:
B = µ0(H + M) = μ0(H + (μr – 1)H) = μ0μrH (G2)
Die Einheit ist: [B] = [T] Tesla
Die Faktoren μ0 und μr sind die relative magnetische Permeabilität des Vakuums (Konstante) bzw. die Permeabilität des ferromagnetischen Werkstoffes. Die relative magnetische Permeabilität (Steigung in der blauen Hystereskurve weiter oben) ist nicht konstant, sondern hängt vom Feld H ab: μr = μr(H).
Ein magnetisch gut leitfähiges Metall wie z.B. Transformatorblech (μr über 10’000) besitzt eine hohe relative magnetische Permeabilität. Tiefe Permeabilität besitzen dagegen ferromagnetische Werkstoffe wie z.B. gehärtete martensitische Stähle, Hartmetalle (μr unter 20) und Edelstähle mit geringen ferritischen Anteilen. Austenitische Stähle sind grundsätzlich nicht magnetisierbar, besitzen demzufolge eine magnetische Permeabilität von nahezu 1.
Die relative magnetische Permeabilität (Permeabilitätszahl) sagt aus, wie stark ein Material bei einer bestimmten Feldstärke H magnetisiert werden kann. Sie ist somit ein Maß für die Durchlässigkeit von Materie für magnetische Felder. Ein Material mit hoher Permeabilitätszahl kann magnetisch stärker angezogen werden.
Magnetfeld-Messgeräte rechnen zwischen Flussdichte und Feldstärke um, indem μr = 1 gesetzt wird. Dies ist zulässig, weil der Sensor nicht im ferromagnetischen Material „drin“ misst, sondern immer außerhalb des Materials, also in Luft. In Luft ist μr annähernd 1. Aus Gleichung (G2) folgt 1mT ^= 7.96A/cm.
Magnetische Anziehungskräfte
Magnetfelder führen zu Anziehungseffekten auf magnetisierbare Objekte und auf Magnetfelder entgegengesetzter Polarität.
Nachfolgend werden zwei Formeln eingeführt, mit denen sich die magnetische Anziehungskraft zwischen zwei Flächen- und auf kleine Objekte (z.B. Partikel) berechnen lässt.
Anziehungskraft zwischen zwei Flächen
Dieser Fall liegt zum Beispiel bei einem Joch mit Stirnfläche A und einem darüberliegenden, ferromagnetischen Objekt mit gleicher Fläche A vor.
Fm = μ0 · H2 · A / 2 (G3)
H: Feldstärke im Luftspalt zwischen den zwei Flächen A [m2]
Anziehungskraft auf kleine Objekte
Die Anziehungskraft auf magnetisierbare kleine Objekte wie z.B. ferromagnetische Partikel lässt sich mit folgender Gleichung approximieren:
Fm = μ0 · V · Χ · H · (∇ · H) (G4)
V: Volumen Objekt [m3]
Χ: magnetische Suszeptibilität (Suszeptibilität: Mass für die Magnetisierbarkeit eines Materials, Χ = μr – 1)
H: auf das Objekt wirkende Feldstärke
∇ · H = Gradient(H): auf das Objekt wirkender Feldstärkegradient (Gradient: Feldänderung / Distanz)
Es ergibt sich wieder ein quadratischer Zusammenhang zwischen Anziehungskraft Fm und Feldstärke H. Zusätzlich ist gegenüber (G3) ersichtlich, dass ein hoher Feldstärke Gradient(H) zu mehr Anziehungskraft auf magnetisierbare Objekte führt.
Magnetisierbarer Stahl wird grundsätzlich immer in Richtung zunehmender Feldstärke gezogen. Ein Span z.B. an die Endkante eines Bauteils, ein Werkstück in die Ecke einer Entmagnetisierspule, weil dort die höchste Feldstärke vorherrscht. Nur in einem komplett homogenen Feld gibt es keine Anziehungskraft auf entmagnetisierten, ferromagnetischen Stahl.
Magnetische Anziehung von bearbeitetem austenitischen Stahl
Ein häufiger Fall aus der Praxis ist der Bedarf austenitischen Stahl (V2A, V4A etc.) nach Bearbeitung, Verformung usw. wieder komplett unmagnetisch zu machen, damit keine magnetischen Anziehungskräfte oder andere magnetische Störeffekte auftreten können. Mechanische Bearbeitung kann durch Gefügeveränderung (Austenit -> Martensit) lokal zu einer Erhöhung der Permeabilitätszahl führen.
Durch Entmagnetisierung mit Wechselfeld kann die magnetische Anziehungseigenschaft eines austenitischen Stahls bei inhomogen Feldern nicht eliminiert werden. Die relative magnetische Permeabilität wird durch den Prozess nur minimal verändert. Permeabilitätsveränderungen können normalerweise nur durch spezielle Glühverfahren erreicht werden.
Warum Entmagnetisieren?
Das Entmagnetisieren von Teilen aus Stahl setzt sich in der Industrie immer mehr als notwendiger Prozess durch, weil sich bei der Weiterverarbeitung der Bauteile entscheidende Vorteile in vielen Folgeprozessen und der Qualität von Endprodukten erzielen lassen (siehe Anwendungsgebiete).
Bei sachgemässem Umgang und ohne Einwirkung von magnetischen Feldern auf den Werkstoff bleiben vollständig entmagnetisierte Bauteile über sehr lange Zeiträume hinweg entmagnetisiert.
Wie kann man Entmagnetisieren?
Ferromagnetische Werkstoffe können grundsätzlich mit den drei folgenden Methoden entmagnetisiert werden:
- Erhitzung über Curie-Temperatur (die Curie-Temperatur ist legierungsabhängig. Für industriellen Stahl liegt sie bei ca. 500 bis 800°C. Umwandlung Ferromagnetismus zu Paramagnetismus).
- Erschütterungen (Umorientieren von magnetischen Domänen durch Vibrationsenergie. Beschränkt tauglich).
- Erzeugen eines magnetischen Gegenfeldes, damit an einer definierten Messtelle am Material der magnetische Fluss auf null abfällt.
- Umpolung mit abnehmendem magnetischem Wechselfeld zur Verteilung der Domänen-Magnetisierungsrichtung im Material (in den meisten Fällen das Verfahren der Wahl).
Entmagnetisieren mit abnehmendem Wechselfeld
Bei dem Verfahren wird zuerst ein magnetisches Wechselfeld mit grosser Amplitude aufgebaut, das anschliessend bis auf möglichst niedrige Amplitude abklingen muss. Dieser Prozess scheint zunächst sehr einfach auszusehen, es kommt aber auf viele Details an, um bei der Entmagnetisierung gute Ergebnisse zu erzielen.
Entscheidende Prozessgrössen:
- Frequenz: Änderungsrate der Umpolung. Tiefe Frequenz für hohe Eindringtiefe in den Werkstoff.
- Feldstärke: Intensität des Wechselfeldes. Generell ist eine hohe Feldstärke u.A. zur Umpolung von hartmagnetischen Stellen im Material von Vorteil.
- Amplituden-Dekrement: Das Dekrement ist ein Mass für die Verringerung der Wechselfeldamplituden.
- Feldsymmetrie: Symmetrie des Wechselfeldes bezüglich Nullfeld. Symmetrie bewirkt, dass die Domänen ohne bleibende Vorzugsrichtung verwirbelt werden.
- Wirkbereich: Mass für das von der Spule erzeugte Feldvolumen, in dem die Entmagnetisierwirkung stattfindet.
- Feldhomogenität: Mass für die Gleichmässigkeit des Feldes innerhalb des Wirkbereiches.
- Durchflutungsrichtung: Richtung des magnetischen Wechselfeldes bezogen auf das zu entmagnetisierende Objekt
Je nach Einsatzfall gilt es die einzelnen Parameter zu definieren und in einem Entmagnetisiersystem bestmöglich abzubilden. Das gehört zu unseren Kernkompetenzen.